Die 40-Stunden-Woche ist für viele Deutsche noch normaler Alltag und Stundenzettel gehören zur Routine. Sie dienen einerseits der genauen Abrechnung und schützen die Arbeitnehmer:innen vor Überstunden. Über die Qualität der Arbeit sagen Arbeitsstunden erst mal nichts aus. Was wäre also, wenn wir unsere Arbeit nicht strikt nach Stunden bemessen würden?

Es ist 17.00 Uhr. Ich öffne mein Timesheet und trage ein: Beginn 08:30, Ende 17:00, Pause 0:30. Macht 8 Stunden Arbeit. Acht Stunden, die ich meinem Auftraggeber in Rechnung stellen kann. Acht Stunden, in denen ich gute Arbeit geleistet habe. Aber hätte ich nicht vielleicht noch mehr schaffen können, wenn ich noch zwei E-Mails mehr beantwortet hätte? Wenn ich nicht zwischendurch einen Blick in die Nachrichten geworfen hätte? Wenn ich nicht eine Nachricht an meinen Freund und meine Mutter geschickt hätte? Ja, vielleicht. Vielleicht aber auch nicht, denn: Ergebnisse aus der aktuellen Forschung zeigen, dass die menschliche Konzentration nicht darauf ausgelegt ist, länger als 45 Minuten am Stück zu funktionieren. Andere sagen 20 Minuten. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich in der Mitte und hängt von meiner jeweiligen Tagesverfassung,  meiner Motivation und wahrscheinlich auch der Koffeinkonzentration in meinem Blut ab. Wahrscheinlich ist aber, dass mein Griff zum Handy und mein Klick auf die Nachrichtenseite kein Ausdruck meiner Unmotiviertheit sind. Mehr ist es ein Signal meines Gehirns, dass es gerade mal etwas anderes braucht als den Blick ins E-Mail Postfach. Kein Grund zur Sorge also, denke ich und speichere mein Timesheet.

Arbeitszeit basiert auf Vertrauen

Die Frage nach dem Zusammenhang von guter Arbeit und Zeit lässt mich trotzdem nicht los. Warum sind die meisten Arbeitgeber:innen (und auch Arbeitnehmer:innen) so sehr darauf erpicht, den Arbeitstag in Stunden herunterzubrechen? Sind wir nicht längst in einer Gesellschaft angekommen, die klüger geworden ist? Wissen wir nicht, dass die Aussage „Ich habe heute acht Stunden gearbeitet“ genauso vage ist wie „Ich habe gerade ein großes Glas Wasser getrunken“? Wie viel hat man denn in acht Stunden geschafft?

Eigentlich sollten wir schon diese Frage anders stellen: Anstatt wie viel sollten wir lieber fragen Was habe ich in acht Stunden geschafft? Habe ich vielleicht Probleme bewältigt, die jemand anderes in zehn, zwölf oder in nur sechs Stunden gelöst hätte? Ist die Zeitangabe hier nicht eigentlich völlig egal?

Zugegeben, als Auftragnehmer habe ich einen Vertrag unterschrieben, der mich dazu verpflichtet, eine gewisse Anzahl an Stunden zu arbeiten und meinen Auftraggeber, mir das vereinbarte Geld zu zahlen. Doch basiert nicht auch dieser formelle Vertrag auf einem Vertrauensprinzip? Solange ich nicht morgens und abends beim Betreten und Verlassen der Bank ein Kärtchen in einen Lochkasten stecken muss, bleiben die Zahlen in meinem Timesheet reine Vertrauenssache. Ich versichere mit meinem Versprechen an das Unternehmen, dass ich ehrliche Aussagen über meine Arbeitszeit treffe. Genauso erwarte ich den vereinbarten Stundensatz.

Qualität statt Quantität

Sollten wir den Vertrauensansatz nicht noch einen Schritt weiter treiben und die Erfassung von Arbeitszeit durch ein anderes Prinzip ersetzen? Was, wenn meine Arbeit basierend auf dem Ergebnis (Outcome) entlohnt wird, ungeachtet der Menge an Stunden (Output), die ich dafür aufgebracht habe? Was, wenn ich Geld dafür erhalte, dass ich meine Aufgabe erledigt habe und der Weg und der Aufwand, die ich für die Bewältigung gewählt habe, einzig meiner Entscheidung obliegt?

Sollte nicht das Ergebnis allein zählen, das am Ende meiner erbrachten Arbeit steht? Wäre es nicht viel schöner, wenn ich mich nicht nur zu einer gewissen zeitlichen Verfügbarkeit verpflichte, sondern auch qualitativ zu guter Arbeit verpflichte? Sollte das Commitment, das ich gegenüber meinem Team, meinem:r Arbeitgeber:in oder Auftraggeber:in habe, nicht sowieso qualitativer Natur sein?

Meinem Team, Arbeitgeber:in oder Auftraggeber:in bringe ich doch nur dann einen echten Mehrwert, wenn ich meine Aufgaben mindestens zufriedenstellend erledige. Sitze ich aber acht oder mehr Stunden bei der Arbeit, mittelmäßig bis wenig motiviert, womöglich noch durch starre Arbeitszeiten gefesselt, hat niemand etwas davon. Zumindest werde ich so nie über meine Fähigkeiten hinausgehen, etwas Außerordentliches vollbringen oder mit Kreativität überraschen. Ist mein Commitment aber inhaltlich und nicht zeitlich geprägt, ist es egal, ob ich fünf, zehn oder zwanzig Stunden arbeite (solange weder meine Gesundheit noch sonst etwas oder jemand leiden), werden Fragen nach Motivation, Effizienz und Performance hinfällig.

Ein solcher Ansatz verlangt eine andere Definition von „Arbeit ist erledigt“. Wir müssten für jede Aufgabe eine Definition of Done formulieren, die losgelöst ist von der Arbeitszeit und qualitativ bestimmt, wann die Aufgabe erledigt ist. Das ist in mehrfacher Hinsicht nicht einfach. Erstens, wer bestimmt was Done ist? Kann nur ich das oder mein:e Auftraggeber:in oder sollten wir uns gemeinsam abstimmen?

Zweitens, wie legt man die Bezahlung fest? Schätzen wir den Aufwand, sind wir schnell wieder bei einem Stundensatz. Schätzen wir den qualitativen Wert der fertigen Arbeit, fehlen vielen neue Messlatten jenseits von zeitlichem Aufwand, an denen wir uns orientieren können, weil wir diese Art der Wertschätzung nicht gewohnt sind.

Wertschätzung ist das A und O

Doch letztlich wünschen wir uns doch genau das: dass unsere Arbeit wertgeschätzt wird. Im wahrsten Sinne des Wortes wird eine Vergütung, die nicht auf penibel festgehaltenen geleisteten Stunden beruht, genau diesem Anspruch gerecht: der Wert meiner Arbeit wird geschätzt. Hier begegnet uns ein alter Bekannter: das Prinzip Vertrauen. Ich muss meinem:r Auftraggeber:in vertrauen, dass er meine gute Arbeit fair entlohnen wird und genauso muss er mir vertrauen, dass ich meine Arbeit gut erbringe. Anstatt mein Timesheet zu speichern, könnte ich es auch gleich löschen. Aber gut, so weit sind wir noch nicht.

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