In den USA werden Arbeitnehmer aus sozial weniger einflussreichen Familien im Vergleich zu Arbeitnehmern aus sozial einflussreicheren Familien mit 32% geringerer Wahrscheinlichkeit zu Führungskräften befördert. Diese Benachteiligung übertrifft sogar die von Frauen gegenüber Männern mit 27% oder von Schwarzen gegenüber Weißen mit 25% – so Paul Ingram, Professor an der Columbia Business School. Diese soziale Benachteiligung am Arbeitsplatz existiert in allen großen Volkswirtschaften der Welt.

„Weiß, männlich, in gutbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen – wer diesem Muster nicht entspricht, hat es hierzulande schwer, Karriere zu machen. Dies bestätigen auch die Ergebnisse der Studie “Diversity Trends” der Charta der Vielfalt: Demnach haben 59% der befragten Führungskräfte bereits Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft in der Arbeitswelt beobachtet oder sogar erlebt“.[1]

Erschreckenderweise gilt dies ebenfalls für den Bildungssektor: In Deutschland kommen 79% der Studienanfänger:innen aus Familien mit akademischem Hintergrund, nur 27% aus Nicht-Akademiker:innen-Familien.

Was bedeutet soziale Herkunft?

Menschen, die aus sozial niedrigeren Schichten abstammen, sind Menschen, die durch Geburt und Erziehung vergleichsweise weniger Zugang zu Geld, Kontakten, die ihren Aufstieg fördern oder zu kulturellem Wissen hatten, das das Weiterkommen in Schulen und Unternehmen begünstigt. Aus sozialwissenschaftlicher Sicht wird die soziale Herkunft auf Basis mehrerer Dimensionen gemessen: Familieneinkommen in den ersten Lebensjahren, Bildungsniveau und Berufe der Eltern.

“Klassenmigranten”

Es ist für uns alle schwierig, über „Klassen“ zu sprechen. Besonders in Deutschland ist dieses Thema ein Tabu. Die soziale Herkunft spielt am Arbeitsplatz jedoch weiterhin eine gewichtige Rolle. Sprich mit Fachkräften, die in „Arbeiterhaushalten“ aufgewachsen sind, über ihre Erfahrungen – sie werden dir wahrscheinlich von dem ein oder anderen Erlebnis berichten. In der englischen Fachliteratur gibt es sogar die Bezeichnung der “class migrants” („Klassenmigranten:innen“).

Die Rolle, die die „Schichtzugehörigkeit“ am Arbeitsplatz spielt, kann nicht länger ignoriert werden. Klassenmigranten:innen verfügen über einzigartige Fähigkeiten, die Menschen aus wirtschaftlich privilegierten Verhältnissen möglicherweise nicht haben. In Studien wurde gezeigt, dass sie in Führungspositionen eine höhere Risikobereitschaft haben, die sie auf der Karriereleiter weiter nach oben bringt. Zudem bringen sie häufig pragmatischere Ansätze bei Themen der Kundenbetreuung oder Problemstellungen mit.

Trotz alledem berichten Klassenmigranten:innen von negativen Erfahrungen am Arbeitsplatz – die aufgrund ihrer Herkunft vorfallen. Sie berichten von einem geringeren Zugehörigkeitsgefühl, fühlen sich durch mangelndes Wissen über die internen betrieblichen “Spielregeln” benachteiligt und werden seltener als “geeignet” im Sinne eines “Culture Fit” angesehen.

“Culture fit” und Unconscious Bias

Culture Fit verbindet Menschen mit ähnlichen Interessen und schafft eine Vertrauensbasis zwischen ihnen. So neigen Personalchefs:innen häufig dazu, Kandidaten:innen mit sich überschneidenden Interessensfeldern zu bevorzugen, beispielsweise mit gleichen Sportinteressen. Was sind Elitesportarten? Typischerweise Golf, Tennis, Windsurfen oder Squash. Was sind Arbeitersportarten? Typischerweise Kegeln, Fußball oder Skateboarding. Das gleiche Interessensfeld schafft eine Verbindung, wodurch andere bei der Entscheidungsfindung automatisch benachteiligt werden. Und dies, obwohl die sportlichen Interessen keinerlei Aussagefähigkeit für die jobtechnische Eignung für die neue Stelle besitzen.

Einbindung der sozialen Herkunft in die betrieblichen D&I-Strategie

Initiativen für Vielfalt und Inklusion sollten neben Geschlecht und ethnischer Herkunft auch weitere Aspekte der Vielfalt berücksichtigen, beispielsweise die soziale Herkunft, das Alter, die sexuelle Orientierung, Neurodiversität, Behinderungen usw. Arbeitgeber, die das Thema der sozialen Herkunft aus ihren Überlegungen zu Vielfalt und Inklusion ausklammern, riskieren die Entfremdung bis hin zum Verlust talentierter Mitarbeiter:innen. Dies gilt sowohl für weiße männliche “Klassenmigranten:innen”, die möglicherweise von Diversity & Inclusion-Initiativen ausgeschlossen werden, obwohl sie nicht die Privilegien haben, die ihre elitären Kollegen haben, als auch z.B. für Mitarbeiter:innen anderer ethnischer Herkunft, da diese Mitarbeiter:innen mit größerer Wahrscheinlichkeit “Klassenmigranten:innen” sind als weiße Menschen.

[1] Soziale Herkunft: Als Arbeiterkind Unternehmensberaterin: Das können Sie übers Aufsteigen lernen – Handelsblatt (ampproject.org)

In deinem Unternehmen stehst du regelmäßig vor ähnlich gearteten Herausforderungen? Dann haben wir spannende Workshops in unserem knowledgehub für dich!

Folge uns auf unseren Social Media Kanälen, um kein Update mehr zu verpassen:

flowedoo auf XING | flowedoo auf LinkedIN | flowedoo auf Twitter | flowedoo auf Instagram

Für individuelle Lösungen nimm jederzeit gerne hier Kontakt auf!

Tanya Akin

Die Autorin

Tanya Akin ist Expertin, wenn es um das Thema Diversity & Inclusion geht. Bei der Transformationsbegleitung legt sie besonders viel Wert auf Nachhaltigkeit – denn gelebte Diversity & Inclusion ist eine grundlegende Veränderung, die im Kopf beginnt. Den Umgang mit verschiedensten Charakteren in Unternehmen hat sie durch langjährige Erfahrung in internationalem Umfeld gesammelt.