Unbewusste Vorurteile und wie sie Recruiting-, Aufstiegs- und Feedbackprozesse beeinflussen

Laut Diversitäts-Barometer 2020 von Warth & Klein Grant Thornton ist der typische DAX 30-Vorstand in Deutschland männlich, 55 Jahre alt, weist ein wirtschaftswissenschaftliches Studium auf und ist seit 20 Jahren in seinem Unternehmen tätig. Warum ist das so und was ist die Ursache dafür?

Eine Vielzahl von Untersuchungen belegt, dass der Einstellungsprozess voreingenommen und ungerecht ist. Unbewusste Vorurteile – Unconscious Bias in der Fachsprache – wie z.B. Rassismus, Altersdiskriminierung und Sexismus sind ausschlaggebend dafür, wer schließlich einen Job bekommt und wer nicht.

Unbewusste Vorurteile sind unbewusste soziale Stereotypen und Überzeugungen, die wir über bestimmte Gruppen von Menschen haben. Sie entstehen durch Kategorisierungsprozesse im Gehirn, wenn wir uns in Situationen eines sozialen Austauschs befinden und festigen sich im Laufe der Zeit durch Lernen. Aus evolutionärer Sicht neigt das menschliche Gehirn dazu, aus Vereinfachungsgründen schnelle Entscheidungen auf der Grundlage begrenzter Informationen zu treffen. Dies schont Gehirnkapazitäten, wirkt sich jedoch unmittelbar auf unsere Entscheidungsprozesse aus.

Unbewusste Vorurteile haben somit häufig einen erheblichen Einfluss auf unser bewusstes Urteilsvermögen und führen dazu, dass wir Entscheidungen zugunsten bestimmter, von uns persönlich präferierten Personengruppen treffen. In der Arbeitswelt kann dies zu subjektiven und suboptimalen Personalentscheidungen führen. Bemühungen, Vielfalt im Unternehmen zu erhöhen und die Gleichheit im Unternehmen zu stärken, laufen ins Leere. Potenziale werden nicht genutzt und vermeidbare Mehrkosten entstehen.

Man sollte daher verstehen, welche Arten von Unconscious Bias in diesem Zusammenhang zum Tragen kommen und wie sie unsere Entscheidungen beeinflussen.

Bewerbungs- und Einstellungsprozesse spielen eine entscheidende Rolle bei der Förderung von Vielfalt und Inklusion. Wenn man potentiellen Mitarbeitern mit diversem Hintergrund in diesen frühen Phasen nicht das Gefühl gibt, willkommen zu sein, ist es unwahrscheinlich, dass sie sich für Ihr Unternehmen entscheiden.

Arten von Unconscious Bias

Affinity Bias treten auf, wenn eine Person die Tendenz hat, Kandidaten:innen auszuwählen, der ihr am ähnlichsten ist. Dies ist nachteilig für besser qualifizierte Kandidaten:innen mit anderem Hintergrund als ihr Gesprächspartner. Es werden dadurch beispielsweise Kandidaten:innen empfohlen oder ausgewählt, die dieselbe Abstammung oder dasselbe Geschlecht haben, auf dieselbe Schule gegangen sind, dieselbe Sprache sprechen oder uns an unser jüngeres Ich erinnern. 

Confirmation Bias führen dazu, dass Menschen Entscheidungen auf der Grundlage ihrer vorgefassten Meinungen treffen. In der Regel entwickelt ein:e Interviewer:in innerhalb weniger Minuten nach dem Treffen mit einem Kandidaten:in einen ersten Eindruck. Als Folge der Confirmation Bias droht Gefahr, dass der Interviewer im nachfolgenden Gespräch unbewusst nach weiteren Bestätigungen für seine Vorurteile sucht. Dies kann zu unstrukturierten und ineffizienten Gesprächsverläufen führen.

TIPP – Strukturierung der Interviews: Ein entwickelter Fragebogen bringt Interviewer dazu, jedes Gespräch nach demselben Schema durchzuführen und die gleichen Fragen zu stellen. Dies schafft Transparenz und Vergleichbarkeit und beugt Vorurteilsbildung vor.

Nach dem Einstellungsprozess existieren noch weitere „Biases“ als Stolpersteine, die das Erleben von Mitarbeiter:innen ihrer Arbeitsumgebung stark beeinflussen können.

Feedback ist gerade in der ersten Zeit in einem neuen Unternehmen ein essenzieller Bestandteil der Mitarbeitererfahrung. Vorrangig ist die Art und Weise, wie Mitarbeiter etwas über ihre Leistung erfahren. Beeinflusst werden Vorgesetzte und Mitarbeiter:innen hierbei unter anderem durch Gender Bias.

Sie treten auf, wenn Menschen aufgrund ihres Geschlechts unterschiedliches Feedback erhalten. Studien haben gezeigt, dass Frauen tendenziell mehr negatives und subjektiv geprägtes Feedback erhalten, das auf ihrer Persönlichkeit und nicht auf ihren tatsächlichen Arbeitsergebnissen basiert. Arbeitgeber:innen neigen dazu, Männer zu bevorzugen. Dies liegt nicht daran, dass sie Vorurteile gegenüber Frauen haben – sondern an der inhärenten Wahrnehmung, dass Männer bestimmte Aufgaben im Allgemeinen besser ausführen können als Frauen, wie u.a. die Forschungsarbeit der Assistenzprofessorinnen an der Harvard Business School, Katherine B. Coffman und Christine L. Exley “When Gender Discrimination Is Not About Gender” bestätigt.

Bias und Beförderung 

Unconscious Bias bei der Leistungsbeurteilung kann die Aufstiegschancen von Mitarbeitern:innen einschränken und letztlich zu einer steigenden Fluktuationsrate führen.

Abgesehen von den geschlechtspezifischen “Gender Bias” und den bestätigenden “Confirmation Bias” beziehen sich Affinity Bias (Affinitätsvorurteile) auf den Umstand, dass Menschen dazu neigen, die Fähigkeiten einer anderen Person auf der Grundlage ihrer eigenen Stärken und Schwächen zu bewerten. Einige Untersuchungen haben gezeigt, dass bis zu 61% der Bewertungen die Person widerspiegeln, die die Bewertung abgibt, und nicht die Person, die sie eigentlich bewerten sollte.

Conformity Bias treten bei Einstellungsentscheidungen auf, wenn unsere Entscheidungen an die Meinung der Gruppe angepasst werden, z. B. an die der anderen Personalverantwortlichen, des Vorstands oder der Abteilung, für die wir eine Einstellung vornehmen sollen. Dieser Prozess ist in der Organisationspsychologie auch als “Group Think“ (Gruppendenken) bekannt.

Unconscious Bias Training als eine Art Bewusstseinstraining ist einer der ersten Schritte, unbewusste Vorurteile zu überwinden. Hierbei werden Mitarbeiter:innen befähigt, das Bewusstsein über Unconscious Bias zu stärken und sie bei Auftreten im Arbeitsalltag zu erkennen. Es werden gemeinsam Ideen und Maßnahmen entwickelt, um das Unternehmen in dem Themenbereich zu sensibilisieren, die Mitarbeitenden zu schulen und so langfristig die Auswirkungen von Unconscious Bias zu minimieren.

Stell dich auf den Prüfstand! Die Harvard University hat den Implicit Association Test zu Unconscious Bias entwickelt (Project Implicit (harvard.edu)). Die Ergebnisse werden dich überraschen – ruf uns an und wir erarbeiten gemeinsam eine Strategie für dein Unternehmen!

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Tanya Akin

Die Autorin

Tanya Akin ist Expertin, wenn es um das Thema Diversity & Inclusion geht. Bei der Transformationsbegleitung legt sie besonders viel Wert auf Nachhaltigkeit – denn gelebte Diversity & Inclusion ist eine grundlegende Veränderung, die im Kopf beginnt. Den Umgang mit verschiedensten Charakteren in Unternehmen hat sie durch langjährige Erfahrung in internationalem Umfeld gesammelt.