Immer wieder kommt von Seiten der Einzelhändler Unmut darüber auf, dass potenzielle Kunden sich beraten lassen, die Produkte dann aber im Internet kaufen. E-Commerce macht den stationären Handel kaputt und die lokalen Einzelhändler und Buchhandlungen gehen durch die Übermächtigkeit der Onlineshop-Konzerne ein. Warum sind die einstmals treuen Kunden heute – plakativ gesprochen – so böse, verräterisch und gemein?

Sehen wir die Thematik mal aus einem anderen Blickwinkel: Vielleicht, weil die Beratung schlecht war? Weil der Einzelhändler versucht hat, mir das Vorjahres-Modell zum damaligen Preis zu verkaufen? Weil der Einzelhändler gar nicht meine Wünsche und Bedarfe im Blick hatte, sondern den möglichst schnellen Abverkauf seines Warenlagers? Weil Gewährleistung mit harten Kämpfen verbunden ist? Vielleicht brechen die Kunden die Beratung einfach ab, weil sie zu sehr gedrängt oder zu einseitig beraten werden.

Über Jahrzehnte hatten Kunden keine Wahl. Wenn sie etwas benötigten, gingen sie ins Geschäft. Für besondere Dinge fuhr man in eine Großstadt und ließ sich dort ins Einkaufs-Eldorado fallen – nicht jedoch für eine Waschmaschine, einen Fernseher oder ein Radio. Der Einzelhandel hatte über Jahrzehnte gar keinen Bedarf an Kundenzentriertheit. Freundlichkeit war das Mindestmaß – wenn keine Konkurrenzgeschäfte in der Nähe waren, war selbst dies keine Selbstverständlichkeit.

Die Digitalisierung der Wirtschaft und die Disruption der Geschäftsmodelle Einzel- und Versandhandel verändern die Kompetenz der Kunden. Kunden/innen kennen heute die Produktpalette und wissen, was sie haben möchten. Beratung ist heute nur hilfreich, wenn sie Wissen anreichert. Produkte „andrehen wollen“ schreckt jedoch sogar den kaufwilligsten Kunden ab.

Natürlich werde ich auf den großen Verkaufsplattformen nicht beraten – aber da kann ich mich durch Kundenrezensionen klicken und ein Gefühl dafür erhalten, ob das ausgewählte Produkt tatsächlich kann, was ich will oder nicht. Ist es nicht verrückt, dass die, die sich direkt vor Ort beim Kunden befinden, nur auf ihre eigenen Belange konzentrieren, während der, der am weitesten vom direkten Kundenkontakt entfernt ist – Online Marktplätze wie z.B. Amazon – das Kundenerlebnis in seine Unternehmensvision aufnimmt? Was passiert denn, wenn ich etwas kaufe, das meine Anforderungen nicht erfüllt? Im Einzelhandel? Nach harten Kämpfen erhalte ich ggf. einen Gutschein. Im Online-Handel schicke ich das Produkt einfach zurück, erhalte ein neues oder eine Gutschrift.

Mit diesem Beispiel habe ich einen befreundeten Einzelhändler konfrontiert. Seine Antwort darauf: „Die machen uns das Geschäft kaputt“. Das hoffe ich doch sehr. Denn diese Art von Geschäft ist nicht mehr zeitgemäß. Dies gilt ebenfalls für veraltete Produkte, die unsere Probleme nicht lösen und Unternehmen, die im Gewährleistungsfall keinen Service bieten.

Wir neigen in Deutschland zu einer erstaunlich rückwärts gerichteten Sichtweise. Statt unseren Kunden Service und Beratung zu bieten, schränken wir die Vertriebswege wann immer möglich ein. Statt eigene Plattformtechnologien zu entwickeln, liegt ein großer problemzentrierter Fokus auf übermächtigen digitalen Kartellen, die die alten Marktmechanismen aushebeln. Wenn wir nicht bald beginnen, vorwärtsgerichtet zu planen und neue Wege zu denken, wird es bald nur noch die wenigen großen Anbieter geben, die den Durchschnittsgeschmack propagieren und uns nur noch zeigen, was die Mehrheit ebenfalls gekauft hat. Das wäre sehr schade. Die Individualistinnen und Kreativen unter uns müssen sich dann neue Quellen der Inspiration suchen. Das wiederum könnte aufregend werden.

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Der Autor

Andreas Rein ist Experte für agile Transformation und Organisationsentwicklung. Im Fokus seiner Arbeit stehen moderne Managementmethoden und die Gestaltung und Einbettung agiler und hybrider Methoden in Unternehmenskulturen. Nach seinen Tätigkeiten als „Head of Development and E-Commerce”, „Product Manager Billing Systems” und „Product Manager Search” war er für diverse Beratungs- und Softwarehäuser in den Bereichen Projekt-, Produkt-, und Prozessmanagement tätig, bevor er sich 2009 für eine selbständige Laufbahn entschied. Er begleitet Teams und Organisationen in den unterschiedlichsten geschäftlichen Kontexten.